14. November 2025

Eine Zwei minus für Meerbusch

Mittlerer Niederrhein/ Meerbusch. Die Meerbuscher Unternehmen geben ihrem Wirtschaftsstandort die Note 2,42. Stärken sehen sie vor allem bei der Lage, der Erreichbarkeit und dem Wohnumfeld. Kritischer werden kommunale Leistungen und die Digitalisierung in der Verwaltung bewertet. Das sind wesentliche Ergebnisse der Standortanalyse für die Stadt Meerbusch, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein bei der Garten Selders GmbH vorgestellt hat. „Die Erreichbarkeit wird sehr gut beurteilt, die Bewertung der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur hat sich sogar verbessert, und bei Innenstadtfaktoren punktet Meerbusch deutlich“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. Grundlage der Analyse sind amtliche Statistiken und eine Unternehmensumfrage, an der sich rund 130 Meerbuscher Betriebe mit etwa 3.100 Beschäftigten beteiligt haben.

Zum 30. Juni 2024 waren in Meerbusch 14.093 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tätig – 52,4 Prozent mehr als 1999. „Damit war das Wachstum deutlich stärker als in NRW und im Rhein-Kreis Neuss“, erklärt Gregor Werkle, Leiter Wirtschaftspolitik bei der IHK Mittlerer Niederrhein. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Wachstum jedoch spürbar verringert; zwischen 2022 und 2024 ging die Beschäftigung sogar um 3,4 Prozent zurück. „Das lag insbesondere am Wegzug eines Unternehmens mit vielen Beschäftigten“, erläutert Werkle. Hinsichtlich der Branchenstruktur zeigt sich: Meerbusch ist klar dienstleistungsgeprägt. Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der Gesamtbeschäftigung ist – bezogen auf alle Kommunen im IHK-Bezirk – nur in Kaarst und Rommerskirchen niedriger.

Beim Vergleich zentraler volkswirtschaftlicher Kennziffern zeigt sich ein gemischtes Bild: Die Arbeitslosenquote lag 2024 bei 5,3 Prozent und damit unter dem NRW- und Kreisdurchschnitt. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft liegt mit 128,3 deutlich über dem Bundesmittelwert. Gleichzeitig verliert Meerbusch über einen Kaufkraftabfluss deutlich mehr an das Umland als andere Kommunen der Region. Das liegt unter anderem an der Nähe zu Düsseldorf.

Die Verschuldung der Stadt Meerbusch ist niedrig. Der Gewerbesteuerhebesatz ist im regionalen Vergleich wettbewerbsfähig, liegt aber deutlich über dem Niveau vergleichbarer Kommunen in anderen Bundesländern. „Zudem liegt die Realsteueraufbringungskraft der Gewerbesteuer je Einwohner unter dem Kreis- und NRW-Durchschnitt. Deshalb sollte sich die Stadt verstärkt bemühen, steuerstarke Betriebe für den Standort zu gewinnen“, so Werkle

Die Ergebnisse der Unternehmensbefragung bestätigen das insgesamt positive Bild: Das Gesamturteil mit der Note 2,42 für den Wirtschaftsstandort ist besser als der mehrjährige Mittelwert am Mittleren Niederrhein (2,69). Bei der Befragung haben die Unternehmen aus Meerbusch verschiedene Standortfaktoren auf einer Notenskala von eins bis sechs bewertet.

Insbesondere die harten Standortfaktoren und die Innenstadtfaktoren werden positiv und besser bewertet als in der Region im Durchschnitt. Bei der Erreichbarkeit per Straße/Autobahn erzielt Meerbusch mit 1,98 die beste Note der Umfrage, obwohl sich die Bewertung des Zustands verschlechtert hat. Die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur (Breitband/Mobilfunk) wird mit 2,99 besser bewertet als 2020. „Trotz steigender Ansprüche sehen die Unternehmen hier also echte Fortschritte. Das ist auch ein Verdienst der Verwaltung“, lobt Steinmetz. Positiv hervorzuheben sind auch die Bewertungen der Sicherheit in der Stadt (2,22) und die des Stadtbilds (2,57). Die Arbeitsmarktfaktoren werden im Durchschnitt der Region beurteilt. Das Wohnumfeld für Mitarbeitende (2,65) und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (2,83) werden ebenfalls gut bewertet. „Meerbusch hat hier starke Grundvoraussetzungen“, so Steinmetz. „Aber es gibt auch Bewertungen, die nicht zufriedenstellend sind.“ Das betrifft insbesondere das Themenfeld Kommunale Kosten und Leistungen.

Deutlich kritisch sehen die Unternehmen den Digitalisierungsgrad der Verwaltung (3,99) sowie die Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren (3,94). Für diese Themen erhält Meerbusch deutlich schlechtere Noten als der restliche IHK-Bezirk. Auch die Reaktionszeiten (3,64) und Erreichbarkeit/Öffnungszeiten (3,55) liegen unter dem Regionalwert. „Meerbusch braucht schnellere Prozesse für Unternehmensverfahren: digital, transparent, mit verbindlichen Bearbeitungszeiten“, fordert Steinmetz.

Die IHK empfiehlt der Stadt, den Zertifizierungsprozess zum RAL Gütezeichen Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung anzugehen und zentrale Verfahren durchgängig digital und fristgebunden zu organisieren. Zusätzlich braucht es eine vorausschauende Gewerbeflächenpolitik, die die Steuerbasis vergrößert: „Der bis 2035 ausgewiesene Flächenbedarf sollte zeitnah planungsrechtlich gesichert und marktfähig entwickelt werden. Strategisch wichtig ist dabei weiterhin das Gewerbegebiet an der A44“, so Steinmetz.

Im Anschluss an die Vorstellung der Analyse diskutierten Bürgermeister Christian Bommers, Kirsten Kappius (Meer-Lebensstil), Werner Damblon (Softwert GmbH), Rolf Heckmann (Willy Heckmann GmbH & Co) und Steinmetz die Stärken und Schwächen Meerbuschs. Im Mittelpunkt standen vor allem die Themen Innenstadt und Wohnraum für Fachkräfte.

„Vor allem bei der Digitalisierung der Verwaltung müssen wir uns weiter verbessern“, sagte Bommers zu Beginn der Diskussion. „Aber an dem Thema sind wir dran, unsere umfassende digitale Agenda wird uns dabei helfen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Bereich bei der nächsten Standortanalyse deutlich besser dastehen werden.“ Für Werner Damblon ist der Fachkräftemangel, unter anderem bedingt durch fehlenden Wohnraum, ein Problem. „Bezahlbarer Wohnraum wäre dringend erforderlich“, betonte er. Das sieht der Bürgermeister genauso. „Mieten sind bei uns insbesondere für geringer Verdienende kaum noch finanzierbar. Deshalb arbeiten wir mit Wohnungsbaugesellschaften zusammen und führen mit Investoren Gespräche. Darüber hinaus gründen wir gerade eine Wohnungsbaugenossenschaft, mit der wir zusätzlich eigene Projekte starten können.“

Rolf Heckmann sieht in der interkommunalen Zusammenarbeit Chancen. „Die Stadt Krefeld hat günstigeren Wohnraum. Aber der ÖPNV muss besser ausgebaut sein, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter problemlos nach Meerbusch kommen. Deshalb würde ich mir vor allem in Sachen ÖPNV eine intensive interkommunale Zusammenarbeit wünschen.“ Bommers erklärte, dass die Politik bei den Verkehrsbetrieben „alles bestellen“ könne. „Aber es muss auch alles bezahlt werden können.“

Einzelhändlerin Kirsten Kappius blickt mit Sorge auf die Entwicklung der Innenstadt. „Die muss attraktiver werden“, betont sie. „Wir haben zu viele Kundinnen und Kunden, die in umliegende Städte abwandern.“ Besonders in der umsatzstarken Vorweihnachtszeit verschärfe sich die Lage zusätzlich. Ein zentrales Anliegen ist für Kappius eine Neubesetzung des Stadtmarketings. „Wir brauchen jemanden, der die Dinge mit uns wieder nach vorne bringt und Konzepte entwickelt, die die Innenstadt langfristig beleben“, sagt sie. Ein weiterer Knackpunkt sei die Parkplatzsituation. „Die Winterwelt sorgt jedes Jahr für eine angespanntere Parksituation – und für uns Einzelhändler ist es ohnehin eine echte Herausforderung, dass vor einigen Jahren überhaupt Parkgebühren eingeführt wurden“, erklärt sie. „Viele Kundinnen und Kunden sagen uns, dass sie deshalb nicht mehr in die Innenstadt kommen.“

Auch die Winterwelt selbst sieht sie kritisch. „Ich wünsche mir, dass sie künftig zusätzliche Frequenz in die Stadt bringt. Das Parkplatzproblem führt derzeit leider zu Kaufkraftabfluss – mit mehr Attraktivität und höheren Besucherzahlen könnte die Veranstaltung jedoch auch dem Einzelhandel zugutekommen.“ Der IHK-Hauptgeschäftsführer motivierte zur Zusammenarbeit. „Wenn Frequenzen in der Innenstadt über mehrere Wochen aufgrund einer Veranstaltung verloren gehen, muss man sich zusammensetzen und fragen, ob etwas, was vor 20 Jahren richtig war, heute noch zeitgemäß ist.“

Zum Abschluss erklärte Steinmetz: „Wir haben heute Abend gemeinsam ein paar Themen gesetzt und ich habe ein gutes Gefühl, dass diese Themen weiterverfolgt werden.“ Bommers versprach, die angesprochenen Themen mitzunehmen und animierte die Unternehmen: „Das Rathaus ist ein öffentliches Haus. Wenn Sie ein Anliegen haben, können wir es dort besprechen.“

Quelle: IHK Mittlerer Niederrhein

Diskutierten über den Wirtschaftsstandort Meerbusch (v.l.): Rolf Heckmann (Willy Heckmann GmbH & Co), Kirsten Kappius (Meer-Lebensstil), Werner Damblon (Softwert GmbH), Moderatorin Beate Kowollik, Bürgermeister Christian Bommers und IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz | Foto: IHK Mittlerer Niederrhein