Mittlerer Niederrhein/ Kempen. Die Kempener Unternehmen geben ihrem Wirtschaftsstandort die Note 2,33. Die Beschäftigung wächst und zeigt eine robuste wirtschaftliche Basis, die vor allem auf der industriellen Prägung des Standorts basiert. Die Unternehmen in Kempen sind insgesamt zufrieden mit der Standortqualität, allerdings werden die kommunalen Kosten und Leistungen von den Unternehmen kritisch bewertet. Das sind wesentliche Ergebnisse der Standortanalyse für die Stadt Kempen, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein im Technologie- und Gründerzentrum Niederrhein vorgestellt hat. „Die Erreichbarkeit wird gut bewertet, die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur erhält eine bessere Bewertung als in der Vorumfrage, und mit dem Themenfeld Innenstadt kann die Stadt Kempen in vielfacher Hinsicht punkten“, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. Die Standortanalyse basiert auf der Auswertung amtlicher Statistiken und einer Unternehmensumfrage der IHK, an der sich knapp 120 Kempener Betriebe mit mehr als 3.300 Mitarbeitenden beteiligt haben.
Zum 30. Juni 2024 haben in Kempen insgesamt 13.834 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gearbeitet – gut 28 Prozent mehr als 1999. Im Land Nordrhein-Westfalen (NRW) und im Kreis Viersen gab es seit 1999 ebenfalls ein Wachstum, das jedoch etwas geringer ausfiel. „Seit dem Jahr 2009 wächst die Beschäftigung in Kempen kontinuierlich – mit Ausnahme der Zeit zwischen 2019 und 2021 als ein großes Unternehmen Kempen verlassen hat“, erläuterte Gregor Werkle, Leiter Wirtschaftspolitik bei der IHK. Beim Blick auf die vergangenen zehn Jahre fällt auf, dass sowohl das Produzierende Gewerbe als auch der Handels- und Dienstleistungszweig weiter gewachsen sind. Allerdings wuchsen Handel und Dienstleistungen weniger dynamisch als im Kreis oder im Land.
Beim Vergleich wichtiger volkswirtschaftlicher Indikatoren Kempens mit Kommunen ähnlicher Größe, dem Kreis Viersen und dem Land NRW zeigen sich ebenfalls sowohl positive Aspekte als auch einige Herausforderungen: Kempen weist eine sehr geringe Arbeitslosenquote auf. Sie ist deutlich niedriger als in NRW und niedriger als im Kreis Viersen. Von den weiteren untersuchten Kommunen liegt nur in Korschenbroich die Arbeitslosigkeit unter dem Kempener Wert. Seit 2014 ist die Arbeitslosenquote in Kempen deutlich gesunken.
Mit einem Wert von 108,3 liegt die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Kempen über dem bundesdeutschen Durchschnitt (100). „Dies deutet auf eine überdurchschnittlich hohe Kaufkraft der Kempener Bevölkerung hin. Das schafft grundsätzlich positive Voraussetzungen für den Einzelhandel und konsumnahe Dienstleistungen am Standort“, betonte Werkle. Die Zentralitätskennziffer (97,1) zeigt, dass Kempen allerdings etwas Kaufkraft ins Umland verliert. „Im Vergleich zu den Vergleichskommunen schneidet Kempen mit diesem Wert jedoch gut ab, was eindeutig auf die attraktive Innenstadt zurückzuführen ist“, so Werkle.
Die Realsteueraufbringungskraft der Gewerbesteuer je Einwohner in Kempen war 2024 etwas geringer als in NRW und im Schnitt der Vergleichskommunen im Land. Jedoch ist der Wert in Kempen höher als im Kreis Viersen und höher als der Schnitt der vergleichbaren Kommunen in der Region Mittlerer Niederrhein. Die Realsteueraufbringungskraft der Gewerbesteuer je Einwohner hat sich in Kempen zwischen 2019 und 2024 um rund 7 Prozent gesteigert. Im Land, im Kreis und in den Vergleichskommunen am Mittleren Niederrhein war die Entwicklung jedoch deutlich besser.
Ähnlich positiv wie die Ergebnisse aus der amtlichen Statistik sind die Resultate der Unternehmensbefragung. Dabei haben die Unternehmen den Standort insgesamt sowie mehr als 40 Standortfaktoren mit einer Schulnote zwischen 1 und 6 bewertet. „Das Urteil für den Standort insgesamt fällt mit einer Bewertung von 2,33 besser aus als der Durchschnitt der Wirtschaftsstandorte am Mittleren Niederrhein in den vergangenen Jahren, aber etwas schlechter als bei der Vorumfrage“, sagte Steinmetz. Die verschiedenen Standortfaktoren wurden in Themengebiete gegliedert: Harte Standortfaktoren, Innerstädtische Standortfaktoren, Kommunale Kosten und Leistungen sowie Arbeitsmarktfaktoren. Die Ergebnisse zeigen, dass Kempen als Wirtschaftsstandort aus Sicht der antwortenden Unternehmen lediglich bei den kommunalen Kosten und Leistungen schlechter als der Mittlere Niederrhein im Schnitt beurteilt wird. Die drei anderen Themenfelder schneiden besser ab, die Innenstadtfaktoren sogar sehr deutlich. „Die Unternehmen in Kempen sind zufrieden mit der Standortqualität, aber erwarten mehr von der Kommunalverwaltung“, erklärte der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Der wichtigste Standortfaktor ist die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur (IuK). Sie umfasst die Breitbandinfrastruktur und den Mobilfunkempfang. Diesem Faktor geben die Unternehmen in Kempen die Note 3,01. Das ist eine bessere Bewertung als am Mittleren Niederrhein im Schnitt und auch besser als bei der vergangenen Umfrage im Jahr 2020. „In diesem Bereich hat die Stadtverwaltung einen guten Job gemacht“, betonte Steinmetz. Auch die Verkehrsanbindung an das Straßen- und Autobahnnetz ist für die Unternehmen ein sehr wichtiger Standortfaktor. Er wird mit der Note 1,88 besser bewertet als am Mittleren Niederrhein im Schnitt.
Die innerstädtischen Standortfaktoren werden, mit Ausnahme der Parkgebühren, alle besser bewertet als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. Besonders das Stadtbild und das kulturelle Angebot werden gelobt. „Insgesamt zeigen die Ergebnisse: Kempen profitiert von einer funktionierenden Innenstadtstruktur, einem attraktiven Erscheinungsbild und einem vielfältigen Freizeitangebot – allesamt Standortfaktoren, die im Wettbewerb um Fachkräfte und Investitionen eine bedeutende Rolle spielen“, so Steinmetz.
Die kommunalen Kosten und Leistungen werden von den Unternehmen in Kempen insgesamt kritisch bewertet. „Bei vielen Standortfaktoren aus diesem Bereich hat sich Kempen in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert“, sagte Steinmetz. So werden die Erreichbarkeit und Öffnungszeiten sowie die behördlichen Reaktionszeiten schlechter beurteilt als vor fünf Jahren und schlechter als in der Region im Durchschnitt. Beim Digitalisierungsgrad der Verwaltung gibt es ebenso Verbesserungspotenzial.
Der IHK-Hauptgeschäftsführer empfiehlt der Kommune, sich dem zertifizierten RAL-Prozess „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ zu stellen. Entsprechende vorbereitende Beschlüsse im Stadtrat wurden bereits im Jahr 2024 getroffen. Der Zertifizierungsprozess wird zeigen, an welchen Stellen möglicherweise noch Verbesserungsbedarf bei den wichtigsten Prozessen mit Unternehmen besteht. „Das Zertifikat ist ein gutes Signal nach außen, das zeigt, dass die Kommune wirtschaftsfreundlich arbeitet. Bis zum Ende des Jahres 2026 sollte das Zertifikat erworben werden“, empfahl Steinmetz.
Die finanziellen Herausforderungen für die Städte und Gemeinden werden in den kommenden Jahren steigen. Die Transformation wird Geld kosten. Insofern wird es von großer Bedeutung sein, steuerstarke Unternehmen an den Standort zu binden, um mehr finanzielle Möglichkeiten zu haben. Kempen ist ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort, aber das Beschäftigungswachstum ist zuletzt deutlich flacher verlaufen als noch vor einigen Jahren. Daher empfiehlt die IHK, neue Unternehmen am Standort anzusiedeln und dafür eine vorausschauende Gewerbeflächenpolitik zu betreiben. Steinmetz: „Im Regionalplan Düsseldorf sind 15 Hektar Potenzialflächen nördlich des Kempener Außenrings dargestellt. Um die Flächennachfrage der Wirtschaft bedienen zu können, sollten diese Flächen zeitnah in verbindliches Baurecht umgesetzt und Flächen perspektivisch angekauft werden.“
In der anschließenden Diskussion bedankte sich Bürgermeister Christoph Dellmans für die Studie der IHK: „Sie gibt uns wertvolle Hinweise, in welchen Bereichen wir uns verbessern müssen. Kempen ist ein starker Wirtschaftsstandort. Allerdings bin ich nicht damit zufrieden, dass die Arbeit der Verwaltung schlecht abschneidet. Im Rathaus arbeitet ein gutes und engagiertes Team, und wir werden zukünftig noch kundenorientierter und digitaler arbeiten.“ Aber auch Kommunen müssten von Bürokratie entlastet werden. Land und Bund würden daran jedoch schon arbeiten.
IHK-Vizepräsidentin Janika Woltering-van Haag (Hefe van Haag GmbH & Co. KG) unterstrich zunächst die Stärken des Standorts: „Lage, Erreichbarkeit und Anbindung an das Verkehrsnetz sind sehr gut und für uns sehr wichtig. Genauso wie die hohe Lebensqualität in der Stadt, die uns hilft, Fachkräfte zu gewinnen.“ Kritisch beurteilte die Geschäftsführerin des Familienunternehmens die geringe Zuverlässigkeit des ÖPNV, die fehlende Anbindung nach Willich sowie den Mangel an Wohnraum beziehungsweise den überdurchschnittlich teuren Wohnungsmarkt. Die zunehmende Bürokratie ist für die IHK-Vizepräsidentin ein weiteres Ärgernis: „Das bindet Ressourcen und verlangsamt alles.“
Peter Nieskens, Vorsitzender des Unternehmerkreis Kempen e.V., sprach den Bedarf an Flächen für die Wirtschaft an: „Es geht nicht nur um klassische Gewerbegebiete, sondern auch um Betriebsflächen für Freiberufler. Es gibt Immobilien und Flächen, die noch ungenutzt sind.“ Genauso wichtig sei der Wohnungsbau. Dellmans stellte in Aussicht, dass das Gelände der ehemaligen Tönisberger Zeche demnächst für Gewerbe genutzt werden könnte, und verwies auf den geplanten Wohnungsbau im Kempener Westen.
Rainer Hamm vom Werbering konzentrierte sich auf die Innenstadt: „Wir haben eine attraktive Innenstadt. Aber ich bin schon in Sorge, wie es um sie in fünf Jahren steht. Wir sehen die ersten strukturellen Leerstände.“ Um Gäste auch in Zukunft zum Shopping nach Kempen zu locken brauche es ausreichend Parkmöglichkeiten. Hamm: „Auch wenn es manch einer nicht gerne hört – wir brauchen eher mehr als weniger Parkplätze.“
Genauso wie Woltering-van Haag und Nieskens sprach sich auch Hamm dafür aus, die Position des städtischen Wirtschaftsförderers zügig neu zu besetzen. „Vielleicht wäre auch ein kleines Team aus zwei, drei Wirtschaftsförderern gut“, sagte Hamm und ergänzte: „Aber Wirtschaftsförderung kann auch im Bau- oder Ordnungsamt betrieben werden, indem die Verwaltungsmitarbeiter den Unternehmen bei der Lösung von Problemen helfen.“
Die Standortanalyse steht auf der IHK-Website zur Verfügung: mittlerer-niederrhein.ihk.de/P194
Quelle: IHK Mittlerer Niederrhein

Sie diskutierten über den Wirtschaftsstandort Kempen (v.l.): IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, Rainer Hamm (Geschäftsführer des Werberings Kempen e.V.), Peter Nieskens (Vorsitzender des Unternehmerkreises Kempen e.V.), IHK-Vizepräsidentin Janika Woltering-van Haag (Geschäftsführerin der Hefe van Haag GmbH & Co. KG), Bürgermeister Christoph Dellmans und Moderator Dieter Könnes. | Foto: IHK Mittlerer Niederrhein